,,Und euer Körper ist die Harfe eurer Seele, und es ist an euch, süße Musik aus ihm zu locken oder wirre Töne.’’ Khalil Gibran (1883 – 1931)
„Der Körper ist dein Instrument – nutze ihn!“
Mit diesen Worten werde ich gleich zu Beginn meiner Stage-Ausbildung im Unterricht empfangen. „Ein wirklich sinnvolles Statement“, denke ich sogleich, doch der wirkliche Sinn blieb mir lange verborgen.
Voller Euphorie widme ich mich begeistert meiner neuen Herausforderung:
nutze deinen Körper – mache ihn zu deinem Instrument !!
Schweiß und Fleiß stecke ich mit vollstem Selbstverständnis von nun an in mein sogenanntes Instrument; arbeite täglich an meiner Haltung, meiner Stimme, meiner Beweglichkeit. Entgegen aller Widrigkeiten wird gearbeitet.
Krankheit? – gibt‘s nicht.
Tränen? – habe ich nicht.
Schmerzen? – nie gehört.
Schließlich muss mein Körper doch mein Instrument sein… – er muss funktionieren, ICH muss funktionieren und arbeiten – koste es, was es wolle, verbissen und konzentriert!
Mittlerweile kann ich aus einer gewissen Distanz heraus für mich sagen, dass es überwältigend ist zu sehen, wie sehr man sich selber im Weg stehen kann!
So sehr das Feuer in mir auch flammte, so sehr stand ich mir im Grunde nur selbst im Weg…
… – und ehe ich mich versah, hatte ich für mich das Gefühl, bereits mit der Nase voraus im ,,Dreck’’ zu liegen.
Warum? Aus unterschiedlichen Richtungen, in unterschiedlichen Bereichen und von unterschiedlichen Dozenten erhielt ich fast die gleichen Rückmeldungen…
„Julia, ich habe das Gefühl, du bist sehr distanziert und kalt.’“
„Julia, ich sehe, wie sehr du dich bemühst, aber lass doch mal locker.“’
Je mehr ich dachte, ich verstehe die Stimmen, die mir zu mehr Vernunft rieten, umso verkrampfter wurde ich.
Als sich die Stimmen häuften, fühlte ich mich unterdrückt, falsch verstanden und irgendwie hilflos und verstoßen. In meinen Augen hatte ich schließlich alles getan um „Besserung“ erwarten zu können…
Ich ging tief in mich und holte mir weitere Meinungen von meiner Familie und meinen Freunden ein.
Nun begriff ich: Mein Körper ist mein Instrument!
Ein Instrument kann immer ,,funktionieren’’. Es spielt, egal wie wenig man es beherrscht; so klingt es wirr und disharmonisch, aber es spielt. Jedoch kann es erst dann harmonisch klingen, wenn Instrument und Spieler eine Symbiose eingehen und eins werden. Ein Instrument rührt erst dann zu Tränen, wenn die eigenen Emotionen in das Gespielte übergehen.
So sind Fleiß und Arbeit ein wichtiger Teil um dein Instrument oder auch deinen Körper spielen zu können. Doch ein noch viel wichtiger Aspekt ist im wahrsten Sinne des Wortes, dass dein Körper ,,deine Harfe für deine Seele’’ ist, wenn du deinem Körper zu viel abverlangst, kann deine Seele nicht glücklich sein und umgekehrt.
Wer alles auf einmal möchte und dabei sich selbst nicht treu bleibt, nicht an sich glaubt oder von sich selbst bei Weitem zu viel auf einmal abverlangt, der sieht sich schnell seinem eigenen persönlichen ,,Mephisto’’ gegenüber.
Scheinbar überspitzt – doch mit anderen Worten ausgedrückt, muss man sich selber seine Stärken sowie seine Schwächen eingestehen können und sich auf einen wirklich langen und individuellen Prozess einlassen.
Für mich ist es nun an der Zeit, mein sonniges Gemüt wiederzufinden und meine Seele in Einklang mit meinem Körper zu bringen, kein Genie wurde über Nacht geschaffen und ich denke, das sollten wir uns alle mehr zu Herzen nehmen.
Küsschen,
Julia