Hallo meine Lieben,
heute möchte ich euch etwas Besonderes, das mir sehr am Herzen liegt, in diesem Blog näherbringen. Dabei handelt es sich um die Grundlagen des Faches Liedinterpretation, die ein jeder Sänger bzw. Sängerin verinnerlichen muss, um die Kunst zu erlernen, dem Zuhörer einstudierte Lieder mit den stimmigen Gefühlen zu vermitteln. Warum es so besonders für mich ist?
Nun, „Liedinterpretation“ ist ein sehr kniffeliges und spannendes Fach, das einen immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Denn jeder Mensch und somit all die Leute, die zuhören, interpretieren bestimmte Situationen anders. Und nicht nur das, sondern durch das gesungene Lied als „Medium“ werden unterschiedliche, subjektive Gefühle hervorgerufen, da jeder auf andere Lebenserfahrungen zurückblickt und somit sein Wissen, seine Gefühle, seine Einstellung aus ganz unterschiedlichen „Lebenskesseln“ schöpft, Situationen anders auffasst und einordnet. Die herausfordernde Aufgabe der Darsteller besteht darin, nicht nur die breite Masse, sondern jeden einzelnen zu erreichen, um die eigentliche „Message“ des jeweiligen Liedes mit Herz und Verstand sängerisch eingängig und gefühlsauthentisch auf der Bühne zu verdeutlichen.
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1. Text sprechen, Betonung anpassen und die Bedeutung verstehen
Als Erstes sollte bei allen Sängerinnen bzw. Sängern ein gewisses Verständnis für einen Song geschaffen werden. Oder anders ausgedrückt: das Gesungene und die gemeinsam erarbeiteten Schauspiel-Rollen müssen authentisch und nicht „ge-(show-)stellt“ wirken. Demzufolge ist es wichtig, den Sinn eines Liedes zu erschließen und zu hinterfragen: „Was drückt mein Charakter aus?
Eine große Hilfe auf diesem langen und harten Weg dort hin ist es, den Liedtext zunächst – wie jeden anderen Text – „normal“ zu sprechen, d.h. ohne Ausdruck und Interpretation. Erst im zweiten Durchgang wird die Betonung angepasst.
Eine andere, wunderbare Herangehensweisen im Interpretationsunterricht erinnert einen an Geschichten- bzw. Märchenerzählungen, die einen verzaubern können!
Hierbei arbeitet man daran, ein Lied so singen zu können, als würde man jemandem seine persönliche Geschichte erzählen und seine Sichtweise, die im Lied zum Ausdruck kommt, dem Zuhörer näher bringen. Dabei werden keine Gefühle von außen von uns „eingehaucht“, sondern „von innen“ heraus beim Zuhörer geweckt.
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2. Körperhaltung
Die richtige Körperhaltung ist der entscheidende „Status Quo“ um einen Musical-Song ausdrucksstark und gut singen zu können. Doch was heißt „die Richtige“? Gibt es diese Körperhaltung überhaupt?
Je länger man sich mit dem Fach „Liedinterpretation kognitiv und handelnd auseinandersetzt, umso deutlicher wird einem, dass es viel wichtiger ist, mit seinem eigenen Körper eine gewisse Bühnenpräsenz zu verkörpern, als „einfach nur“ gerade stehen zu können.
Entscheidend hierbei ist, die „Haltung zu bewahren“, oder anders ausgedrückt: eine natürliche, aufrechte Haltung einzunehmen, die das Gesungene unterstützt. Um dies besser verinnerlichen zu können, hilft an dieser Stelle folgende Metapher: Stellt euch vor, ihr hättet in der Mitte eurer Brust eine Glühbirne, die immer hell leuchten muss. Automatisch richten sich die Schultern nach oben auf; fallen jedoch eure Schultern nach vorne, fallt auch ihr als Person regelrecht ein. Eure Energie geht verloren und die Glühbirne geht aus. Darüber hinaus „öffnest“ du dich durch die richtige Körperhaltung. Deine Bewegungen werden größer, fließender und kraftvoller und unterstützen damit auch die inneren menschlichen Impulse.
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3. Impulse
Jeder von euch kennt den Begriff „Impuls“. Beim „Impuls“ handelt es sich um einen Anstoß, einen Antrieb oder auch um eine Anregung. Genau dies ist bei Impulsen auf der Bühne das „A und O“.
Doch jeder empfindet einen Impuls unterschiedlich und wird durch diesen “Reiz” auch unterschiedlich motiviert. Sei es durch unterschiedliche, persönliche Lebenserfahrungen oder durch unterschiedliche Interaktionen mit seinem sozialen Umfeld.
Es besteht für den Darsteller immer die Notwendigkeit für sich zu klären, aus welcher Motivation und Intention heraus ein darstellender Charakter handelt.
Stimmen Impulse und die daraus resultierenden Handlungen mit dem Gesungenen nicht überein, bleibt dem Zuschauer die Intention und der tiefere Einblick in die „Botschaft“ des Songs verschlossen.
Während der gesamten Liederarbeitung sind Impulse enorm entscheidend, denn alle geschriebenen Bühnenlieder verfolgen überwiegend ein bestimmtes Ziel – und zwar die Vermittlung einer Zuschauerbotschaft oder im „Bühnenjargon“ auch “Message” genannt. Dabei kann es sich z.B. um eine glückliche, traurige, lustige, melancholische oder tiefsinnige Message handeln.
Insofern wird deutlich, dass hierbei jeder Satz im Song darüber entscheidet, welchen Ausdruck die Sängerin/der Sänger der eigenen Stimme verleihen und wie sie ambivalent dazu mit ihrem Körper reagieren muss.
Zum Beispiel: Handelt es sich um einen in sich gekehrten Charakter? Oder fasst er sich ans Herz, schmeißt er die Arme in die Luft oder möchte er gerne auf jemanden zugehen?
Aus jedem Satz entwickeln sich immer wieder neue Impulse – quasi wie eine Anleitung zur verbalen und körperlichen Kommunikation. Schließlich kommuniziert man im wahren Leben auch mit dem ganzen Körper.
Auf der Bühne besteht jedoch der große Unterschied, dass alles sehr viel größer, aber gleichzeitig absolut natürlich wirken muss, um das Publikum zu erreichen.
Hat man als Sänger bzw. Sängerin einmal die zu dem Lied und der Message passenden Impulse gefunden, so übernimmt er/sie diese sowohl für seinen weiteren Liederarbeitungsprozess, als auch für die Präsentation auf der Bühne vor unterschiedlichem Publikum. Während dieser Phase besteht die Kunst darin, dieselben Impulse wieder und wieder an derselben Stelle „hervorzuholen“ und es so aussehen zu lassen, als wäre es das erste Mal.
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4. Augenkontakt
Um Impulse überhaupt an das Publikum weiterzutragen, muss die Frage der Häufigkeit und Intensität des Augenkontakts geklärt werden.
Dies scheint logisch zu sein, allerdings ist es nicht so einfach wie es klingt. Wer denken mag, es sei ja natürlich, Augenkontakt mit dem Publikum zu halten, das gehöre definitiv zusammen, hat damit auf der einen Seite nicht ganz unrecht, liegt aber auf der anderen Seite wiederum voll daneben.
Augenkontakt ist entscheidend für eine Message. Niemand fühlt sich angesprochen, wenn man ihn nicht bewusst anschaut oder mit dem Rücken zu ihm steht. Unser Lautsatz ist: “Sing es so, wie du es auch sprechen würdest”. Doch da Musicaldarsteller in jeder Sekunde nicht nur ein Lied singen, sondern auch eine Geschichte beim Singen erzählen und einen bestimmten Charakter verkörpern, ist es wichtig zu wissen, inwiefern Augenkontakt Sinn macht und wie viel davon. Denn die “Dosis” ist hierbei entscheidend. Selbstbewusste Charakteren schauen eher länger in das Publikum als welche, die weniger selbstbewusst sind.
Gleiches gilt für den Augenkontakt mit dem Gesangspartner. Wie oft und wie intensiv schaut man ihn an, ohne dass sich das Publikum ausgeschlossen fühlt?
Küsschen
Julia